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We are truly slaves to the algorithm

We are truly slaves to the algorithm

Der EdgeRank von Facebook ist in letzter Zeit in aller Munde. Immer wieder wird davon berichtet, wie einseitig medial und perfide Facebook angeblich die Nachrichten, die im Newsfeed erscheinen, steuert und damit unser aller Meinungsbild verändert. So sorgte vor nicht allzu langer Zeit bei Gizmodo ein Leak eines ehemaligen Facebook-Mitarbeiters für Aufregung, der behauptete, die Anzeige von Updates aus dem politisch konservativen Flügel werde bewusst beeinflusst. Wer genauer liest wird feststellen, dass die ganze AUfregung offensichtlich zu einer „Trainings-Phase“ des EdgeRanks gehört, bei dem eine Gruppe ausgesuchter News-Kuratoren den Algorithmus darin trainiert, wichtige politische News von unwichtigen News zu unterscheiden. Ein Mekka also für alle Verschwörungstheoretiker und ewig Analogen.

Deshalb hier ein wenig Aufklärung, was eigentlich hinter dem Algorithmus steckt, den Facebook bei seiner News-Auswahl einsetzt.

Ganz anschaulich zeigt ein Tweet aus dem Vortrag von Yaser Bishr, dem Director of Digital Media bei Al Jazeera nach welchem Prinzip Facebook seinen EdgeRank berechnet. Der EdgeRank ist berechnet mittels einer Formel die Wichtigkeit jedes einzelnen Posts das auf Facebook veröffentlicht wird und filtert damit die Nachrichten heraus, die jedem von uns im privaten Newsfeed angezeigt werden.

Der EdgeRank entscheidet also, welche Nachricht im persönlichen Newsfeed angezeigt wird, und nicht wir selbst. Aufgrund der weltweiten Verbreitung von Facebook als News-Medium ist der EdgeRank insofern einer der wichtigsten und zugleich eine der sensibelsten Entwicklungen in unserem Jahrhundert. Durch die Berechnung der Rangfolge aller News-Artikel beeinflusst der EdgeRank-Algorithmus ziemlich direkt die Objektivität bei der Verbreitung von Nachrichten insgesamt und damit auch zugleich die Meinungsbildung über Medien. Unsere Lesegewohnheiten und zugleich unsere Informiertheit ist damit bereits heute schon abhängig von künstlicher Intelligenz. Ein Faktum, das mancher heute noch gar nicht bewusst wahrnimmt. Oder wie es so schon in einem Beitrag auf Gizmodo heißt:

„We are truly slaves to the algorithm.“

Die Berechnung des EdgeRanks (Scoring) eines einzelnen Posts erfolgt auf Grundlage der Berechnung des AWATA-Prinzips (dieses Akronym ist nicht offiziell, sondern stammt von mir selbst…). Das AWATA-Scoring setzt sich fünf Haupt-Einzelfaktoren zusammen, die in die Berechnung des Rankings einbezogen werden.

Die EdgeRank-Struktur kann vereinfacht durch die folgende Formel beschrieben werden:

Facebook’s Newsfeed Score = Affinität x Wirkung x Autor x Typ x Aktualität

Die Einzelkriterien dieser Formel haben entscheidenden Einfluss, wie stark sich eine Nachricht auf Facebook verbreitet und determiniert damit zugleich die Informiertheit der Facebook-Community. Die Faktoren selbst sind recht einfach zu verstehen:

  • Affinität = Ein Wert, der das Interesse des Lesers am Autor des Artikels, widerspiegelt. Im Englischen heißt das „Affinity Score“
  • Wirkung = Ein Wert für die Performance des einzelnen Post bei anderen Lesern. Im Englischen heißt dies Edge Weight
  • Autor = Ein Wert für den Autor, der auf grundlage der Artikel-Performance in der Vergangenheit vergeben wird.
  • Typ = Ein Wert für den Typ des Artikels, differenziert nach Status-Update, Foto, Link usw.
  • Aktualität = Wie neu ist der Artikel. Im Englischen heißt dies „Time Decay“

 

Nicht zu vergessen ist, dass die AWATA-Formel lediglich das vereinfachte Prinzip wiedergibt, wie Facebook bei der Filterung bzw der selektiven Einsteuerung von Nachrichten in die persönlichen News-Feeds vorgeht. Bei der technischen Realisierung des Algorithmus fließen mehr als 100.000 einzelne Faktoren ein, die den finalen EdgeRank-Score bestimmen. Dies ändert jedoch nichts am Grundprinzip Facebook’s bei der selektiven Nachrichtensteuerung und damit auch bei der subjektiven Medienberichterstattung. Fest steht, dass den Nachrichtenkonsum heute weniger der qualitative Journalismus bestimmt, als die mediale Maschine, die hinter der Auswahl einzelner Nachrichten steht.

Bei aller Kritik sollte aber noch erwähnt werden, dass der Facebook EdgRank eines der klügsten Werkzeuge im Algorithm-Age ist, das uns vor einer Flut von unnützen Nachrichten und Informationen bewahrt. Ohne dass wir es merken, durchsucht Facebook’s EdgeRank bei jedem Besuch auf facebook.com ca. 1500 neue Postings auf Affinität, Wirkung, Autor, Typ und Aktualität und verhindert so, dass wir selber alle 1500 Nachrichten durchsehen müssten, die uns jede Woche im Durchschnitt ereilen. Mal ehrlich, wer will schon tausende Updates all seiner 200 Freunde, alle Events in 500 km Umgebung, alle App-Updates, alle Gruppen-Updates, alle Location-Tags und nicht zu vergessen die 100 täglich neuen Katzenfotos sehen? Bei mehr als 150 Freunden würde diese Zahl gleich exponentiell auf 10.000ende Newsfeed-Einträge pro Woche ansteigen.

Das Scoring von Facebook hat natürlich auch einen ganz rationalen, geschäftlichen Zweck. Neben allen positiven Effekten, die dem Einzelnen seine soziale Kredibilität innerhalb des News-Nebels auf Facebook regulieren, sichert sich Facebook durch den EdgeRank selbst das langfristige Überleben. Übersehen wird oft, wie komfortabel Facebook uns unsere kleine Nachtrichten-Welt organisiert. Würde es keinen EdgeRank geben, wäre Facebook wohl schon längst zu einem Spammer-Grab verkommen und viele der heutigen User wären angesichts der Masse an Nachrichten-Flut schon längst abgewandert. Die Liste der ehemals hochgelobten und anschließend in der Versenkung verschwundenen Social Networks ist lang und zeugt von der Unfähigkeit vieler Entwicker und Netzwerk-Manager, größere Communities effektiv zu organisieren, siehe Friendster.com, Ning.com, Myspace.com, Digg.com, Delicious.com, Google+.

Also lasst uns den EdgeRank von Facebook lobpreisen und seiner Güte und Vollkommen danken, die uns jeden Tag davor bewahrt, nicht in News-Update zu ertrinken. Wer mich nun für diese Blasphemie und Technozentrik hasst, den lege ich am Ende eine tolle Katzenbild-Seite nahe und und fordere ihn zu einem persönlichen Duell zu 12 Stunden Katzenbild-Memory auf….

Wer noch mehr über den EdgeRank erfahren will, dem seien folgende Links empfohlen:

 

Photo by 7 july/ CC BY

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