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Wie wichtig ist Edgar Schein?

In meinem letzten Video für den Grundlagenkurs der Betriebswirtschaftslehre und Organisationsforschung an der HTW habe ich mal wieder die Theorien von Edgar Schein zur Unternehmenskultur diskutiert: Für die einen sind Scheins Forschungen nahe an der Esoterik und es wird abgelehnt, kulturelle Artefakte in Unternehmen überhaupt “managen” zu können. Für die anderen ist Edgar Schein aber immer noch einer der wichtigsten Vertreter der modernen Unternehmensführung. Er schaffte es, das Thema der Unternehmenskultur überhaupt vorstansfähig zu machen und die Managemententagen zu tragen. 

 

Hier ein Einblick in mein letztes Video:

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Bei Schein geht es nicht um Mitarbeiterbefragungen

Trotz 30 Jahren Forschung im Bereich Corporate Culture stelle ich bei vielen Diskussionen mit Praktikern immer wieder fest,  wie erschreckend wenig Interesse vorhanden ist, die eigene Unternehmenskultur zu verstehen – geschweige denn diese aktiv zu gestalten. Meine Hypothese dazu: Zu hartnäckig hat sich in den Köpfen vieler Führungskräfte die Idee verfestigt, dass die obligatorische Mitarbeiterbefragung einmal pro Jahr ausreicht, um die Unternehmenskultur zu managen. Alles zwischendrin spielt, bis auf wenige Ausnahmen, wie Strategiekonferenzen, Führungsseminare oder “Cultural Workshops”, nur marginal eine 

Rolle. 

 

Und hier kommt vielleicht die eigentliche Idee von Edgar Schein ins Spiel: Edgar Schein Idee von der Unternehmenskultur ist nicht die, eines messbaren Management-Themas. Ganz im Gegenteil. Schein versteht darunter ein soziales Phänomen, bei dem jeder Mitarbeiter im Unternehmen seine eigene “Geige” spielt. Im Kern heißt das, dass jeder die Kultur prägt, ohne dass uns das bewusst ist. Gleichzeitig übernimmt aber jeder auch Elemente der bestehenden Kultur der Gruppe. Wenn man also Unternehmenskultur überhaupt verstehen will, so kommt man nicht drumherum, das Modell der Kulturanalyse nach Schein zu referenzieren. Er unterscheidet zwischen beobachtbaren 1) Artefakten, wie Sprache, Kleidung, Töne oder Architektur, 2) den Glaubenssätzen, die die Erfahrungenen aller wiederspiegeln sowie 3) den Grundannahmen der Organisation. Erst diese differenzierte Sichtweise versetzt Führungskräfte in die Lage, etwas so Fluides wie eine Kultur zu beurteilen – das geht weit über die Mitarbeiterbefragungen und oberflächlichen Kulturanalysen in vielen Unternehmen hinaus.

Heute managen wir kulturelle Inseln

Die Frage aber bleibt offen, ob wir überhaupt so etwas wie die Steuerung von Unternehmenskultur brauchen. Ich denke: Nein. Denn schauen wir uns bloß um. Die Unternehmen, mit bloß einer Kultur gibt es nicht mehr. Je größer und dezentraler Unternehmen werden, desto weniger passend scheint das Thema zu sein. 

 

Was wir allerdings brauchen ist ein bei allen allen unterschiedlichen Entwicklungen, wie Remote work, Homeoffice und Digitalisierung die Frage nach dem Zugang. Und den bekommt man, wenn man sich von der großen Idee der Unternehmenskultur löst und die kulturelle Heterogenität anerkennt. Es geht heute viel stärker um das Management der Mikrokulturen – also das Verhalten, die Artefakte, die Grundannahmen in den kleineren Teams oder Projekten, die für die Unternehmensentwicklung eine Rolle spielen. Dabei geht es um einen Zugang zum Verständnis zu Berufen, Umgebungen, Professionen. Nehmen wir nur die Profession der Data Analytics, so sehen wir, dass sich hier eine Mikrokultur bildet, die ein ganz eigenes Verständnis: eigene Regeln, eigene Sprache, eine eigene Vorstellung von Autorität usw. hat. Die Mikrokulturen zu verstehen und die Umgebungen so zu gestalten, dass diese Mikrokulturen sich entwickeln, ist der Fokus heutiger moderner und digitaler Unternehmensführung. Führungskräfte sollten lernen, diese neuen kulturellen Inseln zu verstehen und mit ihnen kulturell kompetent umzugehen. So sind Manager in der Lage, Zugang zu ihrer eigenen Kultur zu bekommen.