Die Zukunft der Nachfolgeplanung: Ansätze und Strategien für eine kompetenzbasierte Nachfolgeplanung

Zukunftsgestaltung durch Kompetenzmanagement

Verflechtung von Technologie, Talent Pools und individueller Entwicklung im Rahmen einer kompetenzbasierten Nachfolgeplanung ist die Basis für eine dynamische und zukunftsfähige Talentförderung in Unternehmen.

In aller Kürze:

  • Kompetenzbasierte Nachfolgeplanung ermöglicht es Unternehmen, individuelle Stärken und Entwicklungsbereiche ihrer Mitarbeitenden zu erkennen und gezielt anzugehen.

  • Die Implementierung von hierarchisch abgegrenzten Talent Pools und die Nutzung von Technologie spielen eine entscheidende Rolle bei der Identifizierung und Entwicklung potenzieller Nachfolger.

  • Flexibilisierung der Entwicklungsprozesse und der Einsatz agiler Methoden fördern eine dynamische und zukunftsorientierte Talententwicklung.


Wenn wir über Kompetenzmanagement nachdenken, denken wir nicht automatisch an die Nachfolgeplanung im Unternehmen. Doch in vielen Unternehmen ist genau dies ein kritischer Erfolgsfaktor, wenn es um Kompetenzmanagement geht. Unternehmen, die einen jährlichen Zyklus umsetzen und somit systematisch ihre Nachfolgeplanung für das nächste Jahr beurteilen, haben im Wettbewerb um Kompetenz und Talente eine größere Chance. Dies ist gerade in Zeiten von Fachkräfteengpässen und divergenten Erwerbsbiografien sowie individuellen Karriereerwartungen der Mitarbeitenden ein wichtiger Aspekt.

Doch wie kann eine solche innovative, in die Zukunft orientierte, kompetenzbasierte Nachfolgeplanung überhaupt etabliert werden? Im Folgenden fasse ich einige unserer Erfahrungen aus vergangenen Projekten mit Unternehmen in der Umsetzung kompetenzbasierter Nachfolgestrategien kurz zusammen und zeige, wie wichtig hierbei die einzelnen Aspekte der Identifikation von Schlüsselkompetenzen, der gezielten Einbindung der kompetenzbasierten Nachfolgeplanung in die HR-Prozesse sowie der Einsatz und die Nutzung von Technologie in der kompetenzbasierten Nachfolgeplanung sind.

Warum ist eine kompetenzbasierte Nachfolgeplanung wichtig?

Traditionelle Nachfolgeplanungen basieren oft ausschließlich auf der Stellenanzeige bzw. auf der Positionsbeschreibung, die es zu besetzen gilt. Dies führt jedoch dazu, dass Mitarbeitende in Positionen befördert werden, für die sie möglicherweise nicht die erforderlichen Fähigkeiten oder Kompetenzen besitzen bzw. nicht das ausreichende Potenzial, um diese Position später ausfüllen zu können. Das gilt für Fach- und Führungskarrieren gleichermaßen. Eine kompetenzbasierte Nachfolgeplanung hingegen ermöglicht es Unternehmen, die individuellen Stärken und Entwicklungsbereiche ihrer Mitarbeitenden besser zu verstehen und gezielt daran anzuknüpfen. Der Einbezug individueller Karriereerwartungen, beispielsweise durch selbstinitiierte und weitestgehend selbstgesteuerte Weiterentwicklung der Beschäftigten unter Einbezug eines kompetenzbasierten Ansatzes, kann hier auch eine Lösung darstellen. Nicht zuletzt ist es aber auch wichtig, ein geeignetes Kennzahlensystem für ein solches kompetenzbasiertes Nachfolgeprogramm zu entwickeln und zu implementieren.

Datenbasierte Identifikation von Schlüsselkompetenzen

Die Grundlage für ein erfolgreiches kompetenzbasiertes Nachfolgeprogramm sind die Daten der Mitarbeitenden. Die Herausforderung in vielen Unternehmen liegt oft darin, dass Mitarbeiter ihre Kompetenzprofile nicht transparent machen, oder dort, wo es im HR-System möglich ist, diese nur unzureichend und unvollständig zur Verfügung stehen. Natürlich können aufgrund von betriebsratsrechtlichen Einschränkungen oder anderen datenschutzrechtlichen Beschränkungen nicht überall alle Kompetenzdaten erfasst werden. Allerdings gibt es zahlreiche Beispiele dafür, dass der Zugriff auf solche Tools, die im Unternehmen vorhanden sind, nicht ausreichend umgesetzt ist oder diese Instrumente zur Erfassung von Kompetenzinformationen über eine ungenügende Benutzerfreundlichkeit verfügen. Wichtig ist es jedoch, Wege zu finden, um Schlüsselkompetenzen der Beschäftigten zu identifizieren, indem deren Kompetenzdaten erfasst werden. Dabei geht es vor allem darum, Informationen zu den spezifischen Fähigkeiten, Vorkenntnissen oder auch Verhaltensweisen zu erfassen, die für den Erfolg in einer bestimmten Position oder Rolle innerhalb eines Unternehmens entscheidend sind. Diese Daten zu Schlüsselkompetenzen sind je nach Position und Unternehmenskontext sehr unterschiedlich. Daher ist es wichtig, im Unternehmen eine individuelle Datenerfassung oder Informationsstrategie zu entwickeln, um Schlüsselkompetenzen überhaupt identifizieren zu können.

Die folgenden Aspekte spielen beim Prozess der Identifikation von Schlüsselkompetenzen eine große Rolle:

  • Analyse der Position: Zunächst ist es wichtig, die Anforderungen und Erwartungen an die jeweilige Position genau zu verstehen. Dies kann durch die Erstellung eines Stellenprofils oder einer Jobbeschreibung erfolgen, in der die Hauptaufgaben, Verantwortlichkeiten und Qualifikationen festgehalten werden.

  • Stakeholder-Feedback: Um ein umfassendes Bild von den erforderlichen Kompetenzen zu erhalten, ist es hilfreich, Feedback von verschiedenen Stakeholdern einzuholen. Dies können Führungskräfte, Teammitglieder oder andere Mitarbeiter sein, die mit der Position in Kontakt stehen.

  • Kompetenzmodelle: Unternehmen können auf bereits existierende Kompetenzmodelle zurückgreifen oder eigene Kompetenzprofile erstellen, die die spezifischen Fähigkeiten und Verhaltensweisen beschreiben, die für den Erfolg in der jeweiligen Position wichtig sind. Diese Modelle können als Leitfaden dienen, um die Schlüsselkompetenzen zu identifizieren.

  • Kompetenzinterviews: Durch gezielte Interviews mit aktuellen oder ehemaligen Mitarbeitern, die erfolgreich in der Position tätig waren, können wertvolle Einblicke gewonnen werden. Dabei können Fragen zu den erforderlichen Fähigkeiten, Erfahrungen und Verhaltensweisen gestellt werden.

  • Validierung der Daten: Die identifizierten Daten zu den vorhandenen Kompetenzen müssen regelmäßig überprüft und validiert werden, um sicherzustellen, dass sie weiterhin relevant und aktuell sind. Veränderungen im Marktumfeld oder in der Unternehmensstrategie können eine Anpassung der Kompetenzanforderungen erforderlich machen.

Flexibilisierung der Kompetenz- und Entwicklungsprozesse

Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der kompetenzbasierten Nachfolgeplanung ist deren Flexibilisierung. Ein jährliches Zielvereinbarungsgespräch reicht meist nicht aus, um ausreichend Informationen zu zeitlichen und inhaltlichen Engpässen im Unternehmen bei der Besetzung bestimmter kritischer Schlüsselpositionen zu erlangen. Hier ist eine Ausweitung des Prozesses erforderlich. Beispielsweise können in quartalsweisen Meetings der Soll-Zustand mit dem Ist-Zustand abgeglichen werden, um zeitnah notwendige Anpassungen an der Planung zur Besetzung bestimmter Stellen vorzunehmen. Diese sind kurzfristig möglich. Es gibt jedoch auch mittel- bis langfristige Empfehlungen, um eine kompetenzbasierte Nachfolgeplanung strategisch auszurichten. Hierbei geht es darum, dass die Geschäftsbereiche sensibilisiert werden, aufgrund der in der Nachfolgeplanung erfassten Daten bestimmte Schlüsselpositionen und Erfolge oder Kandidatinnen und Kandidaten für bestimmte Schlüsselpositionen zu suchen oder auszuwählen. Es geht also um eine grundlegende strategische Sensibilisierung mit einer Früherkennung der möglichen Lücken in den Geschäftsfeldern, die dann adressiert werden können.

Wichtige prozessbasierte Aspekte der kompetenzbasierten Nachfolgeplanung sind:

Individualisierte Entwicklungspläne: Die Flexibilisierung der Kompetenz- und Entwicklungsprozesse beinhaltet die Erstellung individualisierter Entwicklungspläne für jeden Mitarbeiter. Anstelle eines starren Entwicklungsplans erhalten Mitarbeiter die Möglichkeit, ihre eigenen Entwicklungsziele zu definieren und entsprechende Maßnahmen zur Kompetenzentwicklung auszuwählen. Dies ermöglicht es den Mitarbeitern, ihre Stärken auszubauen und gezielt an ihren Entwicklungsbereichen zu arbeiten.

  • Flexibles Lernen und Weiterbildung: Die Flexibilisierung der Kompetenz- und Entwicklungsprozesse umfasst auch die Bereitstellung flexibler Lern- und Weiterbildungsmöglichkeiten für die Mitarbeiter. Unternehmen können ihren Mitarbeitern Zugang zu verschiedenen Lernformaten wie E-Learning, Webinaren, Workshops und Coaching bieten, um ihre Kompetenzen kontinuierlich zu erweitern und zu vertiefen.

  • Agile Entwicklungsmethoden: Die Flexibilisierung der Kompetenz- und Entwicklungsprozesse beinhaltet auch die Anwendung agiler Entwicklungsmethoden, um schnell auf Veränderungen im Markt und in der Organisation reagieren zu können. Unternehmen können agile Prinzipien wie iterative Planung, kontinuierliches Feedback und flexible Anpassung von Entwicklungsmaßnahmen nutzen, um die Effektivität und Relevanz der Kompetenzentwicklung zu erhöhen.

  • Selbstgesteuertes Lernen: Die Flexibilisierung der Kompetenz- und Entwicklungsprozesse fördert auch das selbstgesteuerte Lernen der Mitarbeiter, bei dem diese aktiv Verantwortung für ihre eigene Entwicklung übernehmen. Unternehmen können ihre Mitarbeiter dazu ermutigen, ihre Lernziele zu definieren, Lernressourcen eigenständig zu nutzen und Feedback zur eigenen Entwicklung einzuholen, um kontinuierlich zu wachsen und sich weiterzuentwickeln.

Durch die Flexibilisierung der Kompetenz- und Entwicklungsprozesse können Unternehmen sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter kontinuierlich gefördert und entwickelt werden, um den sich wandelnden Anforderungen des Unternehmensumfelds gerecht zu werden. Indem Unternehmen auf individuelle Bedürfnisse eingehen, agile Entwicklungsmethoden anwenden und selbstgesteuertes Lernen fördern, können sie eine dynamische und zukunftsorientierte Talententwicklung gewährleisten.

Hierarchische Trennung von Kompetenzpools

Ein entscheidender Aspekt beim Aufbau eines effektiven kompetenzbasierten Nachfolgemanagements ist die Einführung eines Systems mit hierarchisch voneinander getrennten Talentpools, in denen Fach- und Führungskräfte gleichermaßen vertreten sind. Diese differenzierte Struktur fördert gezielt die Entwicklung von Mitarbeitern mit unterschiedlichen Kompetenzen und Erfahrungen. Wesentliche Elemente dieses Systems umfassen:

  • Hierarchisch abgegrenzte Talent Pools: Indem Mitarbeiter in spezifisch abgegrenzte Talent Pools eingeteilt werden, kann individuell auf ihre Entwicklungsbedürfnisse und Kompetenzprofile eingegangen werden. Die Integration von Mitarbeitern verschiedener Hierarchieebenen fördert den Austausch von Wissen und Erfahrungen, was eine umfassende Entwicklung unterstützt.

  • Selbstnominierung und kompetenzbasierter Auswahlprozess: Mitarbeiter können sich selbst für einen Talent Pool nominieren, woraufhin ein kompetenzbasierter Auswahlprozess folgt. Dieser Prozess ermöglicht es den Mitarbeitern, ihre Stärken und Entwicklungsbedürfnisse zu identifizieren und gezielt an ihrer Weiterentwicklung zu arbeiten.

  • Aufbau eines breiten Kompetenzportfolios: Die aktive Teilnahme an Projekten, Veranstaltungen und Weiterbildungsmaßnahmen innerhalb des Talent Pools erlaubt den Mitarbeitern, ihr Kompetenzportfolio zielgerichtet zu erweitern. Der Austausch mit anderen Teilnehmenden fördert den Aufbau eines globalen Netzwerks und unterstützt somit die berufliche Entwicklung sowie die Eröffnung neuer Karrieremöglichkeiten.

  • Flexibilität in der Entwicklung: Bei ihrem Eintritt in die Talent Pools haben die Mitarbeiter die Möglichkeit, individuelle Entwicklungspläne zu erstellen. Diese Pläne dienen als Motivation und Richtlinie für die persönliche und berufliche Weiterentwicklung. Es steht den Mitarbeitern frei, aus einer Vielzahl von interdisziplinären Projekten, Weiterbildungen und Maßnahmen zu wählen, was sowohl horizontale als auch vertikale Entwicklungen fördert.

Durch die Einführung eines Systems mit hierarchisch getrennten Talent Pools können Unternehmen eine gezielte Förderung und Entwicklung ihrer Mitarbeiter gewährleisten, um den zukünftigen Herausforderungen erfolgreich zu begegnen. Diese strukturierte Vorgehensweise ermöglicht es den Mitarbeitern nicht nur, ihr Kompetenzspektrum zu erweitern und ihre Sichtbarkeit im Unternehmen zu erhöhen, sondern fördert auch den Aufbau eines Netzwerks und die aktive Gestaltung ihrer beruflichen Laufbahn.

Einsatz von Technologie bei der kompetenzbasierten Nachfolgeplanung

Der Einsatz von Technologie bei der kompetenzbasierten Nachfolgeplanung spielt eine entscheidende Rolle bei der Identifizierung, Entwicklung und Bewertung von potenziellen Nachfolgern innerhalb eines Unternehmens. Durch den gezielten Einsatz von digitalen Tools und Plattformen können Unternehmen ihre Nachfolgeplanung effizienter gestalten und sicherstellen, dass qualifizierte Mitarbeiter für Schlüsselpositionen identifiziert und entwickelt werden. Hier sind einige wichtige Aspekte des Einsatzes von Technologie bei der kompetenzbasierten Nachfolgeplanung:

Wichtige Aspekte des Technologieeinsatzes:

  • Kompetenzmanagement-Systeme: Kompetenzmanagement-Systeme ermöglichen es Unternehmen, die Kompetenzen und Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter systematisch zu erfassen, zu bewerten und zu verwalten. Durch die Nutzung von Kompetenzmanagement-Plattformen können Unternehmen die Kompetenzlücken identifizieren, gezielte Entwicklungsmaßnahmen planen und die Entwicklungspotenziale der Mitarbeiter analysieren.

  • Talent-Management-Software: Talent-Management-Software unterstützt Unternehmen bei der Identifizierung von High Potentials und Schlüsselkräften für zukünftige Führungspositionen. Durch die Nutzung von Talent-Management-Plattformen können Unternehmen einen Talent Pool aufbauen, potenzielle Nachfolger identifizieren und deren Entwicklung gezielt fördern.

  • Skill-Assessment-Tools: Skill-Assessment-Tools ermöglichen es Unternehmen, die Fähigkeiten und Kompetenzen der Mitarbeiter objektiv zu bewerten und mit den Anforderungen zukünftiger Positionen abzugleichen. Durch den Einsatz von Skill-Assessment-Tools können Unternehmen die Passung zwischen den individuellen Kompetenzen der Mitarbeiter und den Anforderungen der Nachfolgepositionen sicherstellen.

  • Data Analytics und KI: Durch den Einsatz von Data Analytics und künstlicher Intelligenz können Unternehmen Daten über die Leistung, Entwicklung und Potenziale der Mitarbeiter analysieren und prognostizieren. Data Analytics ermöglicht es, die Nachfolgeplanung datenbasiert zu gestalten, individuelle Entwicklungspläne zu erstellen und die Erfolgsaussichten potenzieller Nachfolger zu bewerten.

Nachfolgeplanung bietet Unternehmen die Möglichkeit, Nachfolgekandidaten zu verwalten, Entwicklungsmaßnahmen zu planen und den Fortschritt der Nachfolgeplanung zu verfolgen. Aus unseren Projekten aber haben wir gelernt, dass der Schlüssel zu einer erfolgreichen Zukunft nicht allein in der Technologie oder in strukturierten Prozessen liegt, sondern vielmehr in den Menschen selbst und ihrer Fähigkeit, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln.

Prof. Dr. Kai Reinhardt

Professor für Betriebswirtschaft, Personal und Organisation

https://www.kaireinhardt.de
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