JOB SHARING UND TOP SHARING: FLEXIBLE ARBEITSMODELLE FÜR DIE ZUKUNFT

In einer Zeit, in der Flexibilität und Anpassungsfähigkeit immer wichtiger werden, gewinnen alternative Arbeitsmodelle zunehmend an Bedeutung. Die Sharing Economy hat in vielen Bereichen bereits erfolgreich Einzug gehalten und zeigt nun auch Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Job Sharing ist eines dieser innovativen Konzepte, das sowohl Arbeitnehmern als auch Unternehmen neue Möglichkeiten bietet.

Was ist Job Sharing?

Job Sharing ist ein Arbeitszeitmodell, bei dem sich zwei oder mehr Personen eine Vollzeitstelle teilen. Im Gegensatz zu Teilzeitarbeit, bei der jede Person eine separate Stelle innehat, arbeiten Job Sharing-Partner gemeinsam an den Aufgaben und Projekten der geteilten Position. Dadurch ergeben sich sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber zahlreiche Vorteile. Die Arbeitnehmer können flexibler arbeiten, während die Unternehmen von den unterschiedlichen Kompetenzen, Perspektiven und Erfahrungen der Job Sharing-Partner profitieren.

Das Konzept des Job Sharings ist nicht neu, hat aber in den letzten Jahren durch die Sharing Economy und den Wandel der Arbeitswelt an Bedeutung gewonnen. Ursprünglich wurde Job Sharing vor allem von Frauen genutzt, die nach einer Babypause wieder in den Beruf einsteigen wollten, ohne ihre Familienzeit komplett opfern zu müssen. Heute nutzen Menschen aller Geschlechter und Altersgruppen Job Sharing, um Arbeit und Privatleben besser in Einklang zu bringen, neue Erfahrungen zu sammeln oder sich weiterzubilden.

Vorteile des flexiblen Arbeitszeitmodells

Traditionelle Arbeitszeitmodelle, wie die klassische 40-Stunden-Woche, sind oft starr und wenig an die Bedürfnisse von Arbeitnehmern und Unternehmen angepasst. Flexible Arbeitszeitmodelle, wie Job Sharing, bieten hingegen deutlich mehr Freiheiten und Möglichkeiten zur Anpassung. Im Job Sharing können die Partner ihre Arbeitszeiten individuell und bedarfsgerecht gestalten. Sie können beispielsweise ihre Arbeitsstunden aufteilen, sodass einer vormittags und der andere nachmittags arbeitet, oder sie können die Arbeitstage untereinander aufteilen. Auch Kombinationen aus Teilzeit- und Vollzeittagen sind möglich.

Job Sharing ermöglicht es Arbeitnehmern, ihre Arbeitszeit flexibel zu gestalten und so Beruf und Privatleben besser in Einklang zu bringen. Diese Flexibilität ist besonders wertvoll für Eltern, die sich um ihre Kinder kümmern möchten, oder Menschen, die neben der Arbeit eine Weiterbildung absolvieren. Auch für Arbeitnehmer, die sich ehrenamtlich engagieren oder einfach mehr Zeit für ihre Hobbys und Interessen haben möchten, bietet Job Sharing eine ausgezeichnete Lösung.

Durch die verbesserte Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und die damit einhergehende Flexibilität können Arbeitnehmer ihre Work-Life-Balance optimieren. Dies führt nicht nur zu einer höheren Arbeitszufriedenheit, sondern auch zu einer gesteigerten Produktivität. Zudem profitieren Unternehmen von der Zusammenarbeit mehrerer Experten auf einer Stelle, was zu einer höheren Entscheidungsqualität und Kreativität beitragen kann.

Teilzeitbeschäftigte stoßen leider häufig auf Vorurteile, etwa dass sie weniger engagiert oder weniger produktiv seien als Vollzeitbeschäftigte. Job Sharing kann dazu beitragen, diese Vorurteile abzubauen, indem es zeigt, dass Flexibilität und Effizienz Hand in Hand gehen können. Da Job Sharing-Partner gemeinsam für den Erfolg ihrer geteilten Stelle verantwortlich sind, wird klar, dass Engagement und Produktivität nicht von der Anzahl der Arbeitsstunden abhängig sind.

Top Sharing: Geteilte Verantwortung an der Spitze

Ergänzend zum Job Sharing revolutioniert auch das Top Sharing klassische Führungsarbeit. Top Sharing, ein Begriff, der erstmals 1999 in der Schweiz auftaucht, beschreibt die Anwendung von Job Sharing speziell in Führungspositionen, die Personalverantwortung und Expertenaufgaben beinhalten. Durch die Aufteilung der Verantwortung können die Komplexität und die hohen Anforderungen an wichtige Führungspositionen erleichtert werden. Ähnliche Begriffe sind Joint Leadership, Chef-Tandem, Shared Leadership und Co-Sharing.

Es ermöglicht Führungskräften, ihre Verantwortung und Aufgaben mit anderen zu teilen und so eine bessere Work-Life-Balance zu erreichen. Top Sharing bezieht sich auf das Teilen von Führungspositionen und Verantwortlichkeiten zwischen zwei oder mehr Personen. Dabei übernehmen die beteiligten Führungskräfte gemeinsam die strategische Planung, Entscheidungsfindung und Mitarbeiterführung. Top Sharing ermöglicht es den Beteiligten, ihre Arbeitszeit flexibel zu gestalten und ihre individuellen Stärken und Kompetenzen einzubringen, um ein effektives und innovatives Führungsteam zu bilden.

Top Sharing ist in verschiedenen Branchen und Unternehmensgrößen anwendbar. Einige erfolgreiche Beispiele finden sich in der öffentlichen Verwaltung, im Bildungsbereich oder bei Non-Profit-Organisationen. So teilen sich beispielsweise in einigen deutschen Kommunen zwei Bürgermeister die Führungsaufgaben und Verantwortung für ihre Gemeinde. Auch in Unternehmen, insbesondere im mittleren Management, kann Top Sharing erfolgreich eingesetzt werden, um eine effektive und zukunftsweisende Führungsstruktur zu etablieren.

Im Top Sharing wird die Entscheidungsfindung gemeinschaftlich getroffen, wodurch ein breiteres Spektrum an Perspektiven und Ideen in die Entscheidungsprozesse einfließt. Dies kann zu einer höheren Entscheidungsqualität und besseren Ergebnissen führen. Die beteiligten Führungskräfte entwickeln gemeinsam die strategische Ausrichtung des Unternehmens oder der Organisation und stimmen ihre individuellen Stärken und Kompetenzen aufeinander ab. Dabei sind klare Kommunikation und Vertrauen zwischen den Top Sharing-Partnern entscheidende Faktoren für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.

Top-Sharing in Deutschland: Ein schwieriger Weg

In Deutschland sind derzeit nur 4% der Führungskräfte im Top Sharing tätig, obwohl sich 41% der Frauen diese Arbeitsform vorstellen können (Himmen, 2018). Dennoch arbeiten 58% aller Arbeitnehmer:innen in Deutschland mit starren Arbeitszeiten, während nur 36% flexible Arbeitszeiten haben und 9% individuelle Regelungen nutzen. Viele Unternehmen zögern, flexible Regelungen einzuführen, da Führungsverantwortung oft noch mit Vollzeitstellen verknüpft wird.

In Deutschland gibt es keinen gesetzlichen Anspruch auf Job Sharing. § 13 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes hält lediglich die Option zur Teilung einer Stelle fest, ohne genaue Regelungen für diese Teilung. Das bedeutet, dass jedes Teilzeitmodell infrage kommt. Eine gegenseitige Vertretungspflicht unterliegt aber keinen gesetzlichen Bedingungen, sondern könnte nur ein möglicher Bestandteil eines Arbeitsvertrages sein. Somit ist ein Jobsharer nicht automatisch verpflichtet, die andere Person zu vertreten. Wenn ein Mitarbeiter das Tandem verlässt, bleibt das Arbeitsverhältnis für den anderen Partner trotzdem bestehen. Die einzige Möglichkeit für den Arbeitgeber dann, eine neue Konstellation herbeizuführen, ist der Weg der Änderungskündigung. Dabei bietet der Arbeitgeber dem verbliebenen Mitarbeiter andere Beschäftigungsbedingungen an. Wenn der Arbeitnehmer das neue Angebot annimmt, kommt ein neuer Arbeitsvertrag zustande; andernfalls scheidet der Arbeitnehmer aus. Leitende Angestellte stellen jedoch eine Ausnahme im Arbeitszeitgesetz dar, da es für diese Personengruppe nicht gilt. Daher kann es schwierig sein, die Arbeitszeit für solche Stellen zu begrenzen, wodurch die Gefahr besteht, dass eine Teilzeitstelle schleichend zur Vollzeitstelle wird.

Lohnt sich Top Sharing für Arbeitgeber?

Für Arbeitgeber kann sich Top Sharing lohnen, obwohl auf den ersten Blick höhere Personalkosten in Form von doppelten Sozialabgaben entstehen. Auch die Kosten durch den Recruitingaufwand sind ein wichtiger Faktor. Eine Studie von "The Job Share Project" hat die Kosten einer neu besetzten Vollzeitstelle mit den Kosten einer Stelle im Job Sharing verglichen und festgestellt, dass die Kosten sogar geringer ausfallen können – abhängig davon, ob die Tandems mit internen oder externen Mitarbeitern besetzt wurden. Trotz höherer Kosten lohnt sich Top Sharing in vielen Fällen, da eine Produktivitätssteigerung von bis zu 30% erreicht werden kann (Daniels, 2011). Bassett & Saunders (2017) argumentieren, dass 1,2-fache Kosten einen 1,5-fachen Output rechtfertigen.

Die Vergütung im Top Sharing kann unterschiedlich gestaltet sein. Olmsted (1979) und Branine (2004) sind der Meinung, dass Mitarbeiter eines Tandems nicht unbedingt gleich verdienen sollten, da Erfahrungen, Dienstalter und Zeitanteil berücksichtigt werden müssen. Insbesondere in Success Tandems, bei denen sich beide Partner in unterschiedlichen Karriereabschnitten befinden, ist eine solche Vergütung üblich.

In den meisten Fällen wünschen sich Tandems jedoch, dass sie für die gleiche Arbeit auch gleich entlohnt werden, um Streitigkeiten vorzubeugen und eine angemessene Wertschätzung beider durch das Unternehmen zu gewährleisten.

Ein weiterer finanzieller Vorteil für Arbeitgeber ist, dass sie bei der Vergütung von Überstunden sparen können. Obwohl das Tandem häufig Mehrarbeit leistet, werden in den meisten Unternehmen keine Überstunden bezahlt, da ein fester Rahmen an wöchentlichen Stunden vorgegeben ist, den das Duo individuell verteilen kann (Hall, 1993). Die angesammelten Stunden werden meist durch einen Freizeitausgleich abgegolten, sodass für den Arbeitgeber in diesem Bereich keine Kosten entstehen.

Insgesamt kann Top Sharing für Arbeitgeber finanziell vorteilhaft sein, indem es die Produktivität steigert, die Vergütung von Überstunden reduziert und je nach Besetzung des Tandems sogar geringere Kosten als eine Vollzeitstelle verursachen kann.

Prof. Dr. Kai Reinhardt

Professor für Betriebswirtschaft, Personal und Organisation

https://www.kaireinhardt.de
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