NETWORK NAVIGATOR: WIE EINE ORGANISATION VERNETZT LERNT

In einem Beitrag von Simon Terry stieß ich auf einen interessanten Gedanken, der im Rahmen der Diskussion rund um die vernetzte Organisation oftmals übersehen wird. Terry fragt nach den “Übersetzern” in der Organisation und bezieht sich damit auf die Frage, wie das Mindset und die Sprache von Experten harmonisiert werden können, die übergreifend über Abteilungen hinweg arbeiten, sich aber oftmals wegen unterschiedlicher Vorstellungen und Gedankenwelten nicht verstehen.

Keen to learn about the new businesses I became a keen student of jargon and business models. Knowing the language helped build trust and connection. The ability to collaborate across a language boundary made for all sorts of opportunities.

Er nennt diese Experten, die dafür sorgen, dass Wissen in der Organisation miteinander vernetzt wird Network Navigators.

PS: Anmerkung zum Begriff der vernetzten Organisation: Der Begriff der vernetzten Organisation wird aktuell oftmals mit Technologien zur Vernetzung verwechselt… diese Sichtweise  ist hier nicht gemeint… es geht nur zum Teil um die Vernetzung mittels IT-basierter Netzwerke, Social Media, Enterprise 2.0 oder ähnlichem sondern um das Phänomen, dass Organisationen aufgrund von Veränderungen an Robustheit gewinnen, wenn die Mitarbeiter besser vernetzt sind. Ein ganz informativer Artikel darüber findet sich hier)

Network Navigatoren sind die Beschleuniger in der vernetzten Organisation, müssen aus diesem Grund auch über spezifische Skills verfügen, die es ihnen ermöglichen, als Übersetzter zu arbeiten. Eine Kernkompetenz dieser Übersetzter ist die Fähigkeit, verschiedene Abteilungskulturen miteinander zu verbinden und aktiv die isolierten Abteilungen miteinander zu vernetzten. Diese Vernetzung erfolgt fern von technischen Lösungen, wie zB Intranets, Dokumentationen oder ähnlichem, sondern basiert rein auf der Katalyse des Austauschs der Beteiligten. Navigators sind in der Lage, die Anliegen, Bedenken und das Handeln verschiedener Kollegen und Beteiligten zu verstehen. Mit dieser Fähigkeit differenzieren sich die Network Navigators von technologischen Lösungen zum Aufbau von Social Networks. Die menschliche Fähigkeit der Interpretation und kritischen Hinterfragung von Wissen ermöglicht ihnen die Schaffung von Kontext. Dort, wo vor allem Silo-Denken an der Tagesordnung ist, ermöglichen sie eine übergreifende Kommunikation und eine Vernetzung von Wissen über die Schaffung von Kontext bzw. Kontexträumen.

Das Problem isolierter bzw. fragmentierter Organisationen ist es, dass ein Großteil des Wissens einer Organisation dann verloren geht, sobald einzelne Personen das Unternehmen verlassen und während ihrer Zugehörigkeit das Wissen einzig und allein an diese einzelne Person gebunden ist. Auch spielen hierarchische Strukturen eine große Rolle, die oftmals durch die thematische Abgrenzung von Abteilungen den Austausch erst gar nicht erlauben. Gibt es keine Übersetzter, erfolgt kein Austausch zwischen isolierten Abteilungen . Diese isolierten Gedankenwelten finden sich nahezu in jedem Unternehmen: Beispiele dafür sind u.a. Vertrieb versus Marketing, Produktentwicklung versus Forschung, Tochtergesellschaft versus Holding. Beim Konzept der Network Navigatoren geht es darum, praktikable Lösungen zu finden, wie diese Grenzen und Oberflächen überwunden werden und die Möglichkeiten und Chancen einer Zusammenarbeit zwischen diesen isolierten Einheiten einen Sinn und Kontext erhält.

KONZEPT: WISSENSPROMOTOREN

An ähnlichen Konzepten arbeitete bereits 2004 ein Forscherteam am Fraunhofer-Institut IFF an ähnlichen Fragestellungen rund um Prof. Sibylle Peters, zu dem ich selbst gehörte. Wir gingen der Frage nach, wie isolierte Knowhow-Bestände abseits des Einbezugs von Führungskräften erfolgreich in Unternehmen vernetzt werden können. In diesem Zusammenhang entwickelten wir das Konzept des Wissenspromotors, das ein Pendant zum eben zitierten Network Navigator ist. Ausgangspunkt der Forschung war die Annahme, dass es zu Schwerpunkt-Verschiebungen bei der Vernetzung von Wissen kommt, sobald sich die Komplexität eines Unternehmens erhöht. Dann ist es nicht mehr möglich, dass Führungskräfte die Rolle der Vernetzter übernehmen, sondern es sind Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Mitarbeiter selbst kleine interpersonelle Netzwerke aufbauen, in denen sich das Wissen besser verbreitet. Vernetztes Wissen ist also keine Führungsaufgabe mehr, sondern liegt in der Hoheit der Fachexperten und Spezialisten selbst. Organisationstheoretisch basieren beide Ansätze, das des Network Navigators und des Wissenspromotors auf der Nutzung der Vorteile informeller Organisationen, anstatt den Austausch im Unternehmen zu formalisieren. Die Urväter des Wissensmanagements, Nonaka und Takeuchi haben diesen theoretischen Zusammenhang bereits 1998 gut beschrieben, indem sie einem Unternehmen unterstellen, dass es neben der Primärorganisation (Hierarchie) auch noch eine Sekundärorganisation gibt (Projekte, Initiativen) sowie eine Tertiärorganisation, die dann den informellen Austausch erst ermöglicht.


Als Ergebnis lieferte die Forschung zum Thema der Wissenspromotion eine Art sozialwissenschaftliche Toolbox für den Aufbau einer vernetzten Organisation,auch wenn dies zu dieser Zeit noch gar keine Rolle spielte, da technologische Raffinessen eines Social Networks oder Intranets noch in den Kinderschuhen steckte. Interessant ist in diesem Zusammenhang sicherlich die morphologische Toolbox, die aus dem Projekt heraus entwickelt wurde. In dieser Toolbox finden sich die verschiedenen Formen und Ausrichtungen zum Aufbau vernetzter Strukturen in der Organisation, die sich je nach Anwendung und Wissensform unterscheiden.

Inwieweit dieser theoretische Abriss heute angesichts sich immer radikaler vernetzender Umgebungen (Social Network, Twitter, Sharepoints, Mobile Devices, Salesforce, Bascamps, Blogs, Tumblr, Facebook etc) noch eine Gültigkeit hat, muss sicherlich im Detail überprüft werden. Interessant ist aber, dass sich die heutige Wirtschaftswelt noch immer recht wenig über die Grundbedingungen von Vernetzung weiß und diese – abgesehen von der technischen Implementierung – auch wenig Beachtung schenkt.

Prof. Dr. Kai Reinhardt

Professor für Betriebswirtschaft, Personal und Organisation

https://www.kaireinhardt.de
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